Vier Tage laufen – Der Kampf von Sprinter und Langstreckler
Mühlhausen, 2. bis 5. Juni 2011 – Wenn sich rund 100 Laufverrückte für vier Tage auf dem Sportplatz zusammenfinden, bleiben die wenigsten vom Muskelkater verschont. So auch bei der 28. Auflage des Internationalen Läuferzehnkampfs, der in diesem Jahr über das lange Himmelfahrts-Wochenende in Mühlhausen in Thüringen stattgefunden hat. Mit dabei Läuferinnen und Läufer zwischen 14 und 72 Jahren, die sich an vier Tagen allen Distanzen von 60m bis 10.000m im Stadion an der Aue gestellt haben.
Bei dem Wettbewerb, der 1982 in Wien ins Leben gerufen wurde und inzwischen jedes Jahr in einer anderen Stadt stattfindet, müssen die Teilnehmer an drei Tagen morgens sprinten (60m, 100m, 200m), mittags auf die Langstrecke (1500m, 3000m, 5000m) und abends die Mittelstrecke (400m, 800m, 1000m) absolvieren, bevor am Sonntag mit dem 10.000m-Lauf die schwierigste Hürde wartet. Über ein ausgeklügeltes Punktesystem lässt sich schließlich der Sieger ermitteln, der folglich nicht nur gut sprinten können muss, sondern auch eine große Portion Ausdauer für die langen Strecken benötigt.
Als Topfavoriten mit am Start waren die Vorjahressieger Thomas Häusler aus Hermsdorf und Luise Vanderheyden aus Sömmerda, die sich mit bärenstarken Leistungen am ersten Wettkampftag nicht nur souverän vor Vereinskameradin Tina Donder und Yvonne Brandecker aus Wernigerode an die Spitze setzen konnte, sondern es mit ihren Leistungen auch erneut in die ewigen Top30 schaffte – als 16-Jährige wohlgemerkt. Bei den Männern hingegen zeichnete sich ein enges Rennen ab. Favorit Häusler durfte mit einem Punkt Vorsprung vor Sprinter Dominique Sellmann aus Mühlhausen, gefolgt von Allrounder Robin Schade aus Sömmerda und 1500m-Spezialist Tim Herold aus Erfurt in die erste Nacht gehen.
In der Nacht galt es für die teilnehmenden Sportler, sich möglichst gut zu erholen. Auch wenn am ersten Abend die meisten Gesichter noch entspannt wirkten, wussten doch alle Teilnehmer, was noch auf sie zukommen würde. In den zwei bis drei Stunden Pause zwischen den jeweiligen Läufen blieb bei bestem Sommerwetter fast nur Zeit zum Auslaufen, einem kurzen Schläfchen im Schatten und dem nächsten Warmlaufen.
Am zweiten Tag zeigte sich bei den Männern ein ähnliches Bild: Dominique Sellmann überraschte mit 12,21s über 100m, bevor ihm über 3.000m Robin Schade mit 9:07,82 fast eine halbe Minute abnahm und schließlich Thomas Häusler mit seinen konstant guten Leistungen und einem Zielsprintsieg über 800m wieder an die Spitze setzen konnte. Bei den Frauen war es weiterhin Luise Vanderheyden, die mit 13,71s über 100m für Furore sorgte und am Ende des Tages trotz einer deutlichen Niederlage über 3.000m gegen Brandecker/Donder einen Vorsprung von fast 300 Punkten genoss.
Wie stark die körperlichen Belastungen durch die vielen harten Rennen sind, zeigt sich immer am dritten Tag, wenn die Wettkämpfer mit müden Beinen aus den Betten steigen, sechs von zehn Distanzen geschafft sind und trotzdem noch über 16 der rund 22 Wettkampfkilometer vor einem liegen. Zu groß war die Belastung hier für Vorjahressieger Häusler, der die letzten Meter des 200m-Sprints am Samstag Morgen humpelt und sich an den Oberschenkel fasst. Geplatzt ist der Traum der Titelverteidigung, für ihn ging es nicht mehr weiter.
Die Entscheidung bei den Frauen fiel im 5.000m-Rennen, das Yvonne Brandecker (35 Jahre) souverän in 19:52,89 für sich entscheiden konnte. Sie profitierte allerdings davon, dass die bis dahin Führende Luise Vanderheyden ebenso wie die anderen Mädels des SV Sömmerda, darunter auch die gute Langstrecklerin Tina Donder (15 Jahre), zur Schonung für die in zwei Wochen anstehenden Landesmeisterschaften auf den Start verzichtete. Stattdessen unterstützten sie den Veranstalter tatkräftig und sorgten sowohl bei den 5.000m als auch bei den 10.000m mit dem Bereithalten der nassen Schwämme für die bitter nötige Abkühlung. Teilweise jede Runde wurde bei Temperaturen von über 25 Grad zugegriffen.
Was die Temperaturen für Auswirkungen haben konnten, zeigte sich bei einem älteren Teilnehmer wenige Meter vor der Ziellinie des 10.000m-Laufs. Völlig erschöpft brach er dort zusammen. Dank der schnellen Hilfe der Sanitäter ging es ihm aber schon bald wieder gut.
Spannender als bei den Frauen ging es in der Gesamtwertung der Männer zu. Sellmann konnte trotz des erneut deutlichen Rückstands über 5.000m 11 Punkte Vorsprung auf Robin Schade in den abschließenden 10.000m-Lauf retten. Dort musste er aufgrund Zeitnot im ersten und damit langsamsten Lauf der Männer starten – mit knapp über 40 Minuten war schnell klar, dass für ihn der dritte Platz feststand. Im letzten Lauf um 12:30 Uhr zeigte sich Tim Herold von den heißen Bedingungen unbeeindruckt und zog von Beginn an seine eigenen Bahnen und sicherte sich in starken 34:10 nicht nur den Tages- sondern auch den Gesamtsieg vor Robin Schade.
Mit einer gemeinsamen Ehrenrunde beendeten schließlich die Läufer nach der Siegererhrung den von Stefan Koch und seinem Team des SV 1899 Mühlhausen hervorragend organisierten Läuferzehnkampf in Mühlhausen. Wer einmal an diesem Spektakel teilgenommen hat, kommt nur schwer davon los. Das zeigen nicht nur die Teilnehmerzahlen, von denen rund zwei Drittel "Wiederholungstäter" sind, wie Heidrun Müller, die dieses Jahr bereits ihren 20. Läuferzehnkampf absolvierte, sondern das erlebt auch der Schreiber dieses Artikels am eigenen Leib. Für das nächste Jahr darf man sich getrost den 17. bis 20. Mai vormerken, wenn in Albi in Frankreich der 29. Internationale Läuferzehnkampf stattfindet. Bis dahin heißt es für die gewohnten Langstreckler, den Tiefstart zu üben.
Hannes Christiansen für www.laufticker.de, 10 Jun 2011